Land und Leute, Deutschland 2013
Hamburg-St. Pauli, Star-Club, "die Zeit der Dorfmusik hat ein Ende", die Anfänge der Beatles: Bis heute verströmen diese Schlagworte klangvolle Magie. "die nordstory" spürt den frühen Beat- und Popjahren in der Freien und Hansestadt nach. Was ließ und lässt die Stadt so reizvoll für die Musiker*innen sein, was lockte sie her?
Udo Lindenberg aus Gronau zum Beispiel, dessen erklärtes Lebensziel, Popstar zu werden, sich in Hamburg erfüllt hat. Hier gab es keine Sperrstunde, der Hafen roch nach weiter Welt, das Publikum war international. In Hamburg saßen die großen Plattenfirmen, aus Hamburg sendet der NDR sein Radio- und Fernsehprogramm. Wer hier auftritt, ist auf dem besten Weg zu den Sternen.
Der Film erzählt von den Hoffnungen und Träumen der Musiker*innen, von ihren Schwierigkeiten, die ersten Plattenverträge zu bekommen und dann endlich das ersehnte Vinyl in den Händen zu halten. Kein File zum Download, sondern intensives Musikerleben in 33 1/3 oder 45 Umdrehungen. Analog und mal mehr mal weniger sinnlich.
Die Plattenfirmen sind längst aus Hamburg verschwunden, die Liebe zum Vinyl der frühen Beatjahre aber ist wieder da: Die Hamburger DJane Helena Hauff ist den Scheiben in jeder Form verfallen, der Record Store Day wird zum Jubelfest der Schallplatte mit farbenfrohen Sonderausgaben. Die Entdeckung der analogen Langsamkeit im digitalen Zeitalter.
Paul Löffler hatte mit seinem Ladengeschäft Plattenrille seine Liebe zu Musik und Platten als Händler zum Beruf gemacht. Als Schüler mit langen Haaren erschlich er sich ein Interview mit John Lennon und entging damit dem Friseur und dem Schulrauswurf. Seither ist sein Leben Musik. "Als Fotograf haben sie dich im Star-Club ignoriert, die Mädchen wollten immer nur die Musiker", erzählt Robert "Robbie" Günther, der stets mit zwei Kameras in den legendären Beatschuppen auf der Großen Freiheit kam, eine für die Agentur und seine eigene private. Im Hotel Pacific hängte er seine Fotos auf.
Hier haben sie alle genächtigt, die Bands und Musiker*innen, die im Star-Club die Nacht in Klang verwandelten, von den Beatles bis zu Graham Bonney oder Spooky Tooth. Hier frühstückten die Troggs ihr Morgenbier. Und an den Wänden hängen noch die Rechnungen der Stars von damals. Ein Musikerhotel ist das Pacific geblieben. Wie es sein "ozeanisches Gegenstück", das Atlantic Hotel, durch Udo Lindenberg wurde, der hier seit langen Jahren im Übergang sein Zuhause gefunden hat. Er ist lebendige Hamburger Musikgeschichte, hat bei den legendären City Preachers mit Sängerin Inga Rumpf Schlagzeug gespielt, bevor er seine eigenen Wege ging. Anfang der 1970er-Jahre traf er auf den NDR-Filmer Jay Tuck, der mit ihm seine Songs in Musikvideos goss, lange bevor es MTV gab.
Ein Wiedersehen mit diesen hinreißenden Clips gibt es. Und es ist zu sehen, wie Udo Lindenberg als Darsteller im Film zu Ulla Meineckes "Kamikazepilot" früh schon seine typischen Bewegungen probt. Jay Tuck, der Kriegsdienstverweigerer aus Brooklyn, den nicht zuletzt der Beatles-Mythos nach Hamburg lockte, filmt ohne Unterlass, holt Weltstars vor die Kamera, George Harrison, Mick Jagger, Leonard Cohen oder Johnny Cash.
Zugleich ist er den damaligen Newcomern auf der Spur: Im Barmbeker Jugendzentrum Flachsland tritt etwa ein Schlacks aus Ostfriesland auf, dessen Musikalität nur noch durch seine Kunst im Blödeln übertroffen wird. Otto steht da auf der Bühne, die nachmittags von aufstrebenden Bands wie Nektar zum Proben genutzt wird. Von der Szene damals und ihren Veränderungen erzählt der große Konzertveranstalter Karsten Jahnke, dessen Enkel seinen Laden übernimmt und den Blickwinkel der Gegenwart beisteuert.
Die Schwierigkeiten, das eigene Ding zu machen, beschreibt "Sounds of Hamburg, und die Wege, die Musiker*innen nehmen, um gehört zu werden: gestern und heute in der vollkommen veränderten Medienlandschaft. Unterhaltsam erzählt, entsteht ein eigenwilliges Panorama Hamburgs und seiner Musikszene.
Von | Jan Peter Gehrckens |
Logo