Gespräch, Deutschland 2024
Mit Donald Trump als US-Präsident wird die Europäische Union eigenständiger werden müssen. Doch Europa wirkt müde. Darüber diskutiert Richard David Precht mit dem Schriftsteller Robert Menasse.
Unüberhörbar sind Stimmen, die die EU zurückbauen, wenn nicht sogar auflösen wollen. Mächtige Gegner bringen sich in allen Winkeln Europas in Stellung und warten auf den richtigen Moment. Und blockieren derweil den Fortschritt.
Der österreichische Schriftsteller und EU-Vordenker Robert Menasse träumt schon lange von der allmählichen Überwindung des nationalen Denkens und von einem deutlich konsequenter gedachten Europa. Doch müsse man gegenwärtig, so meint Precht, leider ein weltweites Erstarken des Nationalismus diagnostizieren. Die Euphorie der Globalisierung hat sich abgekühlt, Staaten wie etwa die USA drohen mit deftigen Strafzöllen, und der europäische Gedanke versinnbildlicht sich im Moment hauptsächlich durch die Abschottung gegen Einwanderung. Wie ist eine Wende zu mehr Europa da noch möglich?
Menasse erinnert daran, dass die Entwicklung der europäischen Idee schon mehrfach in der Geschichte ins Stocken geriet. Langfristig könne niemand in Europa tatsächlich ein Interesse daran haben, dass dieses Projekt untergeht.
Interessanterweise basieren viele Science-Fiction-Romane der 1950er- und 1960er-Jahre auf der Vorstellung, dass es auf unserem Planeten keine Nationen mehr gibt. Eine Nachwirkung des 2. Weltkrieges, denn damals mussten die Europäer unmittelbar erleben, zu welchen Verbrechen Nationalismus führen kann. Es entstand die größte Friedensbewegung Europas und die Utopie einer nachnationalen Welt, die im Laufe der Zeit allerdings in Vergessenheit geriet.
Diese Vision hat durch die gegenwärtigen militärischen Konflikte wieder höchste Aktualität und Dringlichkeit bekommen. Dennoch will in Europa jeder lieber sein eigenes Süppchen kochen. Mit antieuropäischen Statements gewinnt man heute nationale Wahlen, beklagt Precht die Lage. Das läge am System, erklärt Menasse, denn Abgeordnete für Brüssel werden national gewählt und geben daher auch nationale Wahlversprechen ab. Ein Teufelskreis, denn das hätte dann eine unbefriedigende Europapolitik zur Folge, was besonders den Rechtsnationalisten in die Hände spielt.
Dabei sei doch deutlich abzusehen, dass die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts längst von transnationaler Tragweite sind. Ob Klimakrise, Finanzströme, Handelskriege, Verteilung der Rohstoffe oder der Umgang mit Angriffskriegen - eine Nation allein ist da überfordert.
Was aber ist nötig, um diese so notwendige europäische Zukunft endlich voranzutreiben? Muss sich das System in Brüssel effektiver gegen den Lobbyismus einzelner Staaten durchsetzen? Wie halten wir die Anti-Europäer aus Brüssel fern? Und wie lösen wir uns von der hartnäckigen Vorstellung, dass wir einer Nation angehören müssen, anstatt endlich den konsequenten Schritt zum vollständigen EU-Bürger zu wagen?
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Sonntag | 01.12. | 23:45 Uhr | ZDF |
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