Dokumentation, D 1966
Das Brandenberger Tal liegt, grob gesagt, zwischen Kufstein und dem Tegernsee und war lange Zeit von den Entwicklungen der Moderne quasi abgeschnitten, da nur eine kleine versteckte und schlecht zu befahrende Straße in dieses Tal führte. Guggenbichler kann daher 1966 in seinem Porträt dieses Tals feststellen, dass es dort mehr Pferde als PS gibt - nämlich auf den Weiden der Haflinger. Noch. Und noch läuft auch der siebzigjährige Brot-Christl mit seiner 50 Kilogramm schweren Kraxe auf dem Rücken jeden Tag an die 25 Kilometer in diesem Tal bergauf, bergab, um den Bäuerinnen auf ihren abgelegenen Höfen Brot zu bringen. Angebaut wurde in diesem Tal u. a. der Flachs - und von den Bäuerinnen weiterverarbeitet zu Hemden und Säcken. Woher es kommt, dass man zu jemandem sagt "du spinnst" erklärt Guggenbichler in diesem Zusammenhang auch: Es hat etwas mit der Arbeit des Flachsspinnens zu tun.
Kuchen hat man allerdings auch schon gebacken im Brandenberger Tal, nämlich den berühmten Prügelkuchen, bei dem über offenem Feuer Schicht um Schicht Teig auf einen rotierenden Holzprügel gestrichen wird. Man sagt, für jeden Brandenberger werden in dessen Leben sieben Prügelkuchen gemacht: einen zur Geburt, einen zur Erstkommunion, einen zur Firmung, einen zur Hochzeit, einen wenn der Hoferbe auf die Welt kommt und einen zur Goldenen Hochzeit. Den siebten essen dann die Gäste beim Leichenschmaus als Nachtisch. Auch ein Holzschüsselmacher wird vorgestellt: Er fertigt aus Ahornholz extrem langlebige Holzschüsseln aus einem Stück! Im Brandenberger Tal hat man schon immer mit dem Holz gearbeitet und auch Holzwirtschaft betrieben. Wie das Baumfällen im Bergwald mit der Axt - ein Mann schaffte nur einen Baum pro Tag - in früheren Tagen geschah, konnte Otto Guggenbichler in seinem Film aus dem Jahr 1966 nicht mehr dokumentieren. Aber er kam mit seinem Kamerateam gerade noch rechtzeitig, um wenigstens die letzte sogenannte nasse Trift im gesamten Alpenraum auf Celluloid zu bannen. Denn nach der im Film gezeigten, gab es keine nasse Trift mehr: Die gefällten Bäume werden seitdem auch im Brandenberger Tal per Lastwagen abtransportiert. Was ist eine nasse Trift? Das Zu-Tal-Bringen der gefällten Bäume auf dem Wasserweg. Nachdem die Bäume von den Holzfacharbeitern - früher waren das die Holzknechte - gefällt und dann von allen Ästen befreit worden waren, ließ man sie in die Brandenberger Ache gleiten, von der sie bis hinunter nach Kramsach und damit bis zum Inn getrieben wurden. Nicht nur das Schlagen der Bäume in einem Bergwald war immer schon gefährlich sondern mindestens auch der Beginn der Trift: Im Winter wurden die Stämme oberhalb eines Stausees übereinander geschichtet gesammelt, im Frühjahr mussten die entsprechenden Keile entfernt werden, damit die Stämme in den See rollen. Das Lösen dieser Keile durften in früheren Jahren nur unverheiratete Holzarbeiter erledigen, so gefährlich war dieser Moment. Kameramann Hans Lutz gelingen nicht nur hier atemberaubende Bilder. Seit dieser allerletzten nassen Trift wird das Holz auch im Brandenberger Tal auf Lastwagen, für die man extra Straßen angelegt hat, ins Tal gebracht. Und auf deren Weg nach unten kommen ihnen dann schon die Touristen in ihren Autos entgegen.
Andere Personen | Autor: Otto Guggenbichler, Kontakt: Martin Posselt |