Infomagazin, Deutschland 2024
Heute können wir unser Begehren viel freier ausleben als noch die Generation unserer Groß- oder Urgroßeltern. Sex nur innerhalb der Ehe oder nur, um Babys zu machen - zumindest in Deutschland und Frankreich ist das keine Norm mehr. Dank der sexuellen Revolutionen, gleichberechtigteren Geschlechterrollen und weniger Tabus. Doch überraschenderweise hat diese Liberalisierung nicht dazu geführt, dass wir mehr Sex mit anderen Menschen haben. Sogar im Gegenteil. Internationale Studien aus den USA, Deutschland oder Großbritannien zeigen: Menschen haben über Generationen hinweg immer weniger sexuelle Kontakte mit anderen.
Über die Gründe für diesen kollektiven Turn-off wird in diversen Studien diskutiert: Wirtschaftskrise und Klimakrise stressen uns zu sehr. Wir nehmen Psychopharmaka und ernähren uns falsch. Soziale Medien und lange Arbeitszeiten rauben unsere Freizeit. Das wirkt sich natürlich auf unsere Körper und unsere Lust aus. Nur reichen diese Erklärungen nicht aus. Unser Begehren lässt sich nicht nur mit Hormonen und körperlichen Faktoren erklären. Unsere Sexualität ist etwas sozial Konstruiertes und verändert sich historisch, sagen die Kulturwissenschaftlerin Beate Absalon und der Sexualwissenschaftler Konrad Weller.
Und wenn wir in die Geschichte zurückblicken, stellen wir fest: Seit der Etablierung der Sexualwissenschaft als neue Disziplin im 19. Jahrhundert, über die sexuellen Revolutionen bis zur Mainstream-Kultur von heute ist unser Begehren ein Produkt der gesellschaftlichen Aushandlungen. Es gibt keine ideale biologische Häufigkeit. Wie oft und wie wir mit anderen Menschen Sex haben, hängt von unserer Kultur ab. Warum wir immer weniger Sex haben, ist Teil der großen politischen Entwicklungen - positiven wie auch negativen.
Sonntag | 29.12. | 04:00 Uhr | BRF |
Sonntag | 29.12. | 16:30 Uhr | ARD alpha |
Andere Personen | Autor: Anna Dannecker, Maria Fedorova, Kontakt: Andrea Mirbeth |