Menschen, Deutschland 2019
Im Erzgebirge blickt man auf eine lange Tradition in der Herstellung von Holzspielzeug zurück. VERO entsteht ab 1966 durch die Zwangskollektivierung unzähliger kleiner Familienbetriebe.
Aus der Not der Bergleute von einst geboren, entwickelte sich die Holzkunst zu einem bedeutenden Kapitel ostdeutscher Industriegeschichte. Das Kombinat Holzspielwaren VERO, Zentrum der Spielzeugfabrikation der DDR, übersteht die politische Wende nicht.
Doch Mut und Glaube an das eigene Können ermöglichen den Handwerkern rund um Olbernhau einen Neuanfang.
Dieses Spielzeug hat vielen Generationen von Kindern leuchtende Augen beschert - der Baukasten "VERO construc", die Programme "VERO elementar" und "VERO scola", die kleinen Werkbänke für Kinder, die Holzfahrzeuge, die Puppenhäuser und Mini-Tankstellen sowie das Sortiment für den Eisenbahn-Modellbau. Hergestellt wurde alles im Erzgebirge, im VEB Vereinigte Spielwarenwerke VERO Olbernhau, dem größten Spielwarenhersteller der DDR.
20 Jahre nach seiner Entstehung zählt VERO 82 Produktionsstätten, in denen rund 3300 Mitarbeiter mehr als 1000 Artikel herstellen. Bis 1990 gibt es kein Kinderzimmer ohne VERO - in beiden Teilen Deutschlands. Aber nur ein Jahr später ist das einst so erfolgreiche Kombinat vollständig liquidiert. Einige Betriebe können reprivatisiert werden - und nur deshalb lebt die lange Tradition der Spielzeugproduktion in Sachsen bis heute weiter.
So erzählen die zahlreichen Miniaturen, die in Kerstin Drechsels Manufaktur entstehen, von einem bedeutenden Erbe. Ihr Vater, Dr. Helmut Flade war einer der Mitbegründer von VERO Olbernhau und leitete mehr als 20 Jahre die Entwicklungsabteilung der Spielzeugfabrikation. Viele Ideen der DDR-Kreativ-Schmiede gehen auf ihn zurück.
1987 sieht Helmut Flade zunehmend sein Lebenswerk demontiert und verlässt VERO - in eine ungewisse Zukunft. Nach dem Mauerfall nutzten Vater und Tochter ihre Chance und bauen gemeinsam ein eigenes Unternehmen auf. Heute beschäftigt die kleine Olbernhauer Manufaktur zwölf Mitarbeiter.
Mit dem Ende von VERO beginnt in Neuhausen - östlich von Olbernhau - die Geschichte von Sina Spielzeug. Barbara Seidler ist 16 Jahre lang als Sekretärin in den Olbernhauer Spielwarenwerken tätig. Dann wagt sie den Schritt in die Selbstständigkeit: Als Autodidaktin entwirft sie Lernspielzeuge. Ihre klingenden Bausteine begeistern sogar die Kinder im japanischen Kaiserhaus.
Der Werkzeugbauer und erfolgreiche VERO-Konstrukteur Günter Reichel steht mit 67 Jahren immer noch selbst an der Drehbank, wenn es darum geht, für seine Schutzengel das nötige Rüstzeug zu drechseln. Sein Know-how hat er noch in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung (F&E) beim VEB VERO erworben.
Auch Ute Hofmann-Auhagen blickt auf eine lange Tradition zurück. Ihre Familie nimmt bereits 1885 eine Holzstoff- und Pappenfabrikation in Betrieb. Sie ist gerade 15 Jahre alt, als sie miterleben muss, wie das Lebenswerk ihres Vaters 1972 enteignet und in das Kombinat VERO eingegliedert wird. Gemeinsam mit ihrem Vater setzt sie ab 1990 die Reprivatisierung des einstigen Familienunternehmens durch. Heute gehört die Firma Auhagen zu den erfolgreichsten Modellbau-Herstellern Europas.
Holzfiguren, Baukästen, Lernspielzeug, Lichthäuser - was im Erzgebirge gefertigt wird, ist nach wie vor ein Markenzeichen und wird weit über Europas Grenzen hinweg geschätzt.
Von | Kerstin Holl |