Reportage
"'Anna, Du bist böse, Du bist hässlich, Du kannst nichts!' Solch gemeine Dinge sagt mir meine Stimme im Kopf. Ich habe sie Eva getauft. Manchmal mischt sich noch ein Mann mit ein. Den nenne ich Demian. Ich habe gelernt, diese beiden zu akzeptieren. Ich gehe mit ihnen in Zwiesprache. Das ist nicht immer leicht."
Anna Kunze hat Schizophrenie. Es ist eine Spaltung zwischen Erleben und Realität. Halluzinationen und leider auch die Neigung zum Suizid sind typische Zeichen für Annas Krankheit. Mit 14 Jahren ist Anna deswegen das erste Mal in der Psychiatrie. Sie wird damals in der Schule gemobbt. Kurz darauf stirbt auch noch die geliebte Großmutter, bei der sie als Kleinkind oft war. Ihre Eltern sind voll berufstätig. Anna verliert immer mehr an Halt. Was folgt, ist eine Odyssee durch Anstalten und Kliniken. Diagnostiziert wird ihre Schizophrenie erst mit 19.
Inzwischen ist Anna 23. Nach dem Abitur zieht sie von Zwickau nach Dresden und beginnt ein Sozialpädagogikstudium. Sie bricht es nach kurzer Zeit ab. Auch Arbeiten oder Jobben geht nicht. Ihre Stimmen machen ihr einen Strich durch die Rechnung. Doch Anna ist eine Kämpferin. Sie geht mit ihrer Schizophrenie in die Offensive. Sie bloggt über sich und ihre seelischen Krisen. Über eine Millionen Menschen klickten die Seite bereits an. Es sind Betroffene, Interessierte und natürlich auch Voyeuristen. "Egal, wer das liest", sagt Anna. "Ich will sensibilisieren."
Es gibt allein in Deutschland über eine halbe Millionen Menschen mit dieser, mit meiner Diagnose. Schizophrenie hat so ein großes Stigma, das finde ich doof. Deshalb wagt Anna im letzten Jahr einen weiteren mutigen Schritt in Richtung Öffentlichkeit. Sie stellt sich vor Schulklassen und erzählt Teenagern, was es heißt, schizophren zu sein. Das Projekt heißt "Verrückt? Na und! " und wird vom Verein "Irrsinnig Menschlich" organisiert.
Annas derzeit größte persönliche Herausforderung ist die Fahrschule. Die vielen Stunden, die sie bisher nehmen musste, hat sie aufgehört zu zählen. Doch jetzt steht sie kurz vor der Prüfung. "Ich muss das schaffen! Mobil zu sein, das ist für mich ein Schritt in die sogenannte Normalität. Es nervt, immer anders zu sein."
Die Reportage begleitet Anna Kunze durch ihren Alltag und zeigt die schweren und auch die guten Lebenszeiten einer jungen Frau mit Schizophrenie.
Von | Antje Schneider |