Dokumentation, Frankreich 2024
Am Morgen des 20. März 1995 verübte die Aum-Sekte in der überfüllten U-Bahn von Tokio einen Anschlag mit dem Giftgas Sarin. Es wurden 14 Menschen getötet und mehr als 6000 verletzt. Die Welt stand unter Schock - so auch der Schriftsteller Haruki Murakami, der nach Jahren im westlichen Exil gerade in sein Land zurückgekehrt war. Er unterbrach sein literarisches Schreiben, um der für ihn unbegreiflichen Realität auf den Grund zu gehen.
In seinem zwei Jahre später erschienenen Buch "Untergrundkrieg: Der Anschlag von Tokyo" trug er Aussagen von Opfern zusammen, gab ihnen Gesichter und erzählte ihre Geschichte. Ebenso wollte er das todbringende System der Sekte durchdringen: Wie funktionierte es? Wer waren ihre Anhänger? Was machte ihren Guru Sektengründer Shoko Asahara so anziehend? Was hatte es mit den ungeklärten Morden und Verschleppungen auf sich? Während die Polizei auf der Stelle trat und die Medien Halbwahrheiten verbreiteten, deckte Murakami auf, was vertuscht werden sollte.
In seiner Laufbahn als Schriftsteller war dies ein Wendepunkt. Sein Stil wurde engagierter. Er blickte dem Land ins Gesicht, vor dem er zuvor geflohen war: einem Japan voller Zwänge und Normen, in dem das Individuum im Kollektiv aufgeht und von Hunderten von Sekten gelockt wird, die sich seit Jahrzehnten auf der Inselgruppe ausbreiten. 15 Jahre nach seinem dokumentarischen Werk schrieb er seinen Welterfolg "1Q84", eine dreiteilige Dystopie, die in mehr als 20 Sprachen übersetzt wurde. Darin analysiert er die Anziehungskraft von Sekten, ihre dunklen Verbrechen sowie die Gründe, warum sich diese Gruppen in allen Altersgruppen derart ausbreiten konnten.
Murakami schuf Werke, die versöhnen und entschädigen, für seine Leserinnen und Leser zugleich aber auch ein Mittel der Emanzipation darstellen.
Regie | Claire Laborey |