Dokumentarfilm, Deutschland 2023
Marcel Goldammer, schwuler Sex-Arbeiter im Ruhestand, wird 30. Mit 15 von Zuhause abgehauen, aus der westdeutschen Einöde eines Arbeiterhaushalts nach Berlin, eigentlich um Schauspieler zu werden, wurde er stattdessen Escort, bot sich in den Metropolen der Welt an, verdiente so ein kleines Vermögen, konvertierte zum Judentum, emigrierte nach Israel und entwickelte eine ernstzunehmende Kokain- und Sexsucht. Marcels rauschhaftes Leben scheint zu stagnieren, als ihm seine neuste Idee kommt: Er will in die Politik, schnell nach oben, vielleicht nicht nur aus Überzeugung, sondern vor allem weil es geht. Und zwar bei den Neuen Rechten.
Doch steht sein eigener Lebensstil zwischen Ekstase, Jetset und Selbstzerstörung seinen politischen Ambitionen nicht im Weg, seine Biographie dazu im Widerspruch? Marcel führt sein Leben schließlich weniger heimatverbunden als weltbürgerlich, weniger konservativ als queer, er ist nicht der typische "kleine Mann", sondern ein Intellektueller ohne Studienabschluss und Lebemann mit Suchtproblemen. Geboren als deutscher Christ, lebt er heute als jüdischer Israeli in Tel Aviv und Berlin, liiert mit einem jungen Shanghaier, dessen scheinbar unendlicher Reichtum Marcels ausschweifenden Lebensstil ermöglicht. Sein bisheriger Lebensweg kann als ständige Suche nach ultimativer Freiheit betrachtet werden und hat bislang dennoch vor allem handfeste Abhängigkeiten geschaffen.
GOLDHAMMER blickt hinter die Fassade eines Millennials auf dem Weg zum Populisten und spürt einer Biographie nach, die widersprüchlicher kaum sein könnte - aber genau deshalb perfekt in unsere Zeit zu passen scheint.
Von | Pablo Ben Yakow, |