Stadtbild
Temperaturen im zweistelligen Minusbereich: Trotzdem fahren 90 Prozent der Kinder morgens mit dem Fahrrad zur Schule, mehr als 50 Prozent der Erwachsenen mit dem Rad zur Arbeit.
Oulu im Nordwesten Finnlands gilt weltweit als Hauptstadt der Ganzjahresradfahrer. Sechs Meter breite Super-Highways, in den Schnee projizierte Verkehrszeichen und Fatbike-Trails ziehen sich rund um die Stadt. Die Eisstraße führt zu den Inseln im Archipel.
In der größten Stadt Nordfinnlands am Bottnischen Meerbusen haben die Einwohner ihre Radkultur allen Jahreszeiten perfekt angepasst. Wie funktioniert das?
Stadtplaner aus der ganzen Welt kommen in die 200.000 Einwohnerstadt, um zu lernen, wie man Radfahren im Winter attraktiv macht. Dieses Mal sind es Abgesandte aus der Schweiz und Alaska, die sich von Fahrradstadtplaner Harri Vaarala unterrichten lassen. Der Familienvater ist in Oulu für alles zuständig, was mit Fahrrädern zu tun hat: die Streckenplanung, den Bau, die Instandhaltung, den Winterdienst und das Marketing. Er selbst lebt mit dem Rad circa eine Stunde vom Büro entfernt, liebt die Tour zur Arbeit genauso wie Mountainbike-Wettkämpfe oder Ausflüge mit seinen Kindern ins Naturreservat Liminka vor seiner Haustür.
Oulu ist Zentrum der sogenannten Pohjola-Route. Von dort aus kann man in ein bis zwei Stunden Fahrt alle finnischen Landschaftsformen entdecken. Jetzt im Winter folgt der Film vor allem den Spuren der Geschichte. Oulu ist eine Seefahrerstadt, einst beflügelt durch den Handel mit Teer. Vor knapp 200 Jahren segelten die großen Schiffe mit Fässern voll "schwarzem Gold" meist Richtung England, wo man den Teer als Schutz für Kriegs- und Handelsschiffe benötigte. Einst wurde der Teer in Oulu aus dem Harz von verbranntem Kiefernholz gewonnen. Nur noch vereinzelte Firmen produzieren Teer auf diese Weise noch heute. Meist brennen die Holzhaufen nur noch zu Schauzwecken.
Anne Mäkelä ist in Oulu aufgewachsen und hat die "Geschichten der Teerproduktion" wieder aufleben lassen. Auf einer Route durch die Stadt zeigt sie alte Produktionsstätten, wo man sich über einen QR-Code die Historie vorlesen lassen kann. Oulu wird 2026 Europäische Kulturhauptstadt, bis dahin sollen alle Sammlerstücke aus den alten Museen in den Neubau umgezogen sein.
Von | Kristin Recke |