Dokumentarfilm, Deutschland / Österreich 2019
Eine deutsche Familiengeschichte zwischen Berlin und Wien, vom Ersten Weltkrieg bis zur Wiedervereinigung, erzählt als Collage aus Briefen, Tagebüchern, Bild- und Tondokumenten.
In seinem Dokumentarfilm folgt Thomas Heise den Spuren seiner zerrissenen Familie, die seit dem Ersten Weltkrieg vom Kampf für den Sozialismus geprägt war, und davon, dass der jüdische Wiener Familienzweig im "Dritten Reich" in KZs deportiert und ermordet wurde.
Thomas Heises Eltern engagierten sich nach dem Zweiten Weltkrieg für den Aufbau der DDR, gerieten jedoch als Intellektuelle bald in Konflikt mit der Parteiführung. Sie blieben ihrem Staat aber verbunden. Heise selbst war in seiner künstlerischen Arbeit stark von der Freundschaft zu Heiner Müller geprägt.
In seinem Film reflektiert er Zeitgeschichte in den oft sehr persönlichen Zeugnissen aus dem Familienarchiv. Es geht um Menschen, die einst zufällig zueinanderfanden, dann einander verloren. Und deren verbliebene Kinder und Enkel jetzt verschwinden. Es geht um Sprechen und Schweigen. Erste Liebe und verschwundenes Glück. Väter, Mütter, Söhne, Brüder, Affären, Verletzung und Zukunftshoffnung in wechselnden Landschaften, die verschiedene, einander durchwuchernde Spuren von Zeiten in sich tragen.
"Heimat ist ein Raum aus Zeit" ist ein Nachdenken über die Zeit, die Liebe in ihr, und über den Menschen. Immer bleibt ein Rest, der nicht aufgeht. "Das Material des Films", sagt Thomas Heise, "ist das Übrig-Gebliebene meiner Familie, Reste. Die, von denen ich weiß, deren Umstände ich erlebt oder anders erfahren habe. Reste, die Geschichte spiegeln, Geschichte, die auch meine ist."
Der Film ist seit der Uraufführung auf der Berlinale 2019 auf zahlreichen nationalen und internationalen Festivals gezeigt und mit Preisen ausgezeichnet worden, darunter der Deutsche Dokumentarfilmpreis 2019 und der Preis der deutschen Filmkritik 2020. Er war 2020 außerdem für den Deutschen Filmpreis nominiert.
Im "Tagesspiegel" vom 26. Juni 2019 schrieb Christiane Peitz: "Heise setzt seine Collage aus dem Blickwinkel derer zusammen, die im Stich gelassen werden, denen Geschichte vor allem geschieht. Manchmal ist es ein ganzes Volk. Wobei die Fülle von Sinnbildern nie platter Symbolik gehorcht, verleiht er den verfallenen Gebäuden, dem märkischen Treibsand, dem vom Tagebau geborstenen Asphalt, den kahlen Bäumen, Wolkenschatten und Winterlandschaften doch eine eigentümliche Aura. Immer sind es lange, langsame Kamerafahrten, oft von bestürzender Schönheit. Auch die Lebenslaufentwürfe, Briefstellen und Notizen entfalten Poesie und Esprit."
Thomas Heise (1955-2024) begann seine Laufbahn an der Deutsche Film AG . Erste Dokumentarfilme, die dort entstanden, durften in der DDR nicht gezeigt werden. Nach der Wiedervereinigung sorgte Heise 1992 mit "Stau - Jetzt geht's los", einem Film über die rechtsradikale Jugendszene in Halle für Aufsehen. Thomas Heise drehte Dokumentarfilme und inszenierte mehrere Theaterstücke. Neben seiner künstlerischen Arbeit lehrte Heise an der Akademie der bildenden Künste in Wien und war Mitglied der Akademie der Künste in Berlin.
Regie | Thomas Heise |